Am 13. Mai reichte die indische Regierung bei der Welthandelsorganisation (WTO) offiziell eine Mitteilung ein, in der sie plant, Zölle auf einige amerikanische Importwaren nach Indien zu erheben. Die Maßnahme soll als Reaktion auf die hohen Zölle gelten, die die USA seit 2018 auf indische Stahl- und Aluminiumprodukte erheben. Diese Maßnahme markiert nicht nur das Wiederaufflammen der Handelskonflikte zwischen Indien und den USA, sondern offenbart auch die Logik der Gegenangriffe der Schwellenländer auf einseitige Handelspolitiken und deren tiefgreifende Auswirkungen auf die Nichteisenmetallindustrie im Kontext der Umstrukturierung der globalen Lieferketten.
Der Siebenjahres-Juckreiz der Handelskonfrontation
Der Auslöser für diesen Streit geht auf das Jahr 2018 zurück, als die Vereinigten Staaten Zölle von 25 % bzw. 10 % auf Stahl undAluminiumprodukteaus Gründen der „nationalen Sicherheit“. Obwohl die EU und andere Volkswirtschaften durch Verhandlungen Ausnahmen erreicht haben, konnte sich Indien als zweitgrößter Stahlproduzent der Welt den US-Beschränkungen für seine Stahl- und Aluminiumprodukte mit einem jährlichen Exportwert von etwa 1,2 Milliarden Dollar nie entziehen.
Indien hat es wiederholt versäumt, bei der WTO Berufung einzulegen und 2019 eine Liste mit 28 Gegenmaßnahmen entworfen, die Umsetzung jedoch aufgrund strategischer Erwägungen mehrfach verschoben.
Nun hat sich Indien dazu entschlossen, das Übereinkommen über Schutzmaßnahmen im Rahmen der WTO in Anspruch zu nehmen und zielt auf hochwertige Rohstoffe wie amerikanische Agrarprodukte (etwa Mandeln und Bohnen) und Chemikalien ab, um die Verluste seiner heimischen Metallindustrie durch gezielte Angriffe auszugleichen.
Der „Schmetterlingseffekt“ der Stahl-Aluminium-Industriekette
Als Kernkategorie der Nichteisenmetallindustrie treffen die Schwankungen im Stahl- und Aluminiumhandel die empfindlichen Nerven der vor- und nachgelagerten Industrieketten.
Die von den USA verhängten Beschränkungen für indische Stahl- und Aluminiumprodukte haben sich direkt auf etwa 30 % der kleinen und mittleren metallurgischen Unternehmen in Indien ausgewirkt, und einige Unternehmen waren aufgrund steigender Kosten gezwungen, ihre Produktion zu drosseln oder sogar zu schließen.
Zu den aktuellen Gegenmaßnahmen Indiens gehört die Erhebung von Zöllen auf amerikanische Chemikalien, die die Importkosten wichtiger Hilfsstoffe wie Fluoride und Anodenmaterialien, die für die Aluminiumverarbeitung benötigt werden, weiter beeinflussen könnten.
Branchenkenner gehen davon aus, dass es bei einem anhaltenden Streit zwischen den beiden Seiten für die lokalen Stahlwerke in Indien zu Schwankungen bei der Rohstoffversorgung kommen könnte, was wiederum die Preise für Endprodukte wie Baustahl und Autobleche in die Höhe treiben könnte.
In der zuvor von den USA geförderten Strategie des „Friendly Outsourcing“ gilt Indien als wichtiger Knotenpunkt bei der Ersetzung der chinesischen Lieferkette, insbesondere in den Bereichen Spezialstahl und Verarbeitung seltener Erden.
Zollstreitigkeiten haben multinationale Konzerne jedoch dazu veranlasst, ihre Produktionskapazitäten in Indien zu überdenken. Ein europäischer Autoteilehersteller gab bekannt, dass sein indisches Werk seine Expansionspläne ausgesetzt hat und nun in Südostasien Produktionslinien für verzinkte Stahlbleche einrichten möchte.
Das Doppelspiel von Geoökonomie und Regelrekonstruktion
Aus makroökonomischer Sicht spiegelt dieser Vorfall den Konflikt zwischen dem multilateralen Mechanismus der WTO und den unilateralen Maßnahmen der Großmächte wider. Obwohl Indien auf Grundlage internationaler Handelsregeln Gegenmaßnahmen eingeleitet hat, sind die Aussichten auf eine Streitbeilegung aufgrund der Suspendierung des WTO-Berufungsgremiums seit 2019 ungewiss.
Das Büro des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten gab in einer Erklärung vom 21. April bekannt, dass die Vereinigten Staaten und Indien eine Einigung über einen „Rahmen für gegenseitige Handelsverhandlungen“ erzielt hätten. Indiens harte Haltung zielt dieses Mal jedoch eindeutig darauf ab, seine Verhandlungsposition zu stärken und Vorteile in Bereichen wie der Befreiung von Stahl- und Aluminiumzöllen oder digitalen Steuern zu erzielen.
Für Investoren in der Nichteisenmetallindustrie birgt dieses Spiel sowohl Risiken als auch Chancen. Kurzfristig könnten die steigenden Importkosten für Agrarprodukte in den USA den Ausbau der Produktionskapazitäten für Ersatzmaterialien wie vorgebrannte Aluminiumanoden und Industriesilizium in Indien fördern. Mittel- bis langfristig müssen wir die globalen Überkapazitäten im Metallurgiesektor im Auge behalten, die durch den Zyklus der „Zollgegenmaßnahmen“ entstehen.
Laut Angaben der indischen Ratingagentur CRISIL könnte sich die Wettbewerbsfähigkeit Indiens bei Stahlexporten um zwei bis drei Prozentpunkte steigern, wenn die Gegenmaßnahmen vollständig umgesetzt würden. Allerdings würde sich auch der Druck auf die lokalen Aluminiumverarbeitungsunternehmen erhöhen, ihre Anlagen zu modernisieren.
Unvollendetes Schachspiel und Brancheneinblicke
Zum Redaktionsschluss haben die USA und Indien angekündigt, dass sie Ende Mai persönliche Verhandlungen aufnehmen werden, wobei bis zur Aussetzung der Zölle weniger als zwei Monate verbleiben.
Der endgültige Ausgang dieses Spiels kann drei Wege einschlagen: Erstens könnten die beiden Seiten einen Interessenaustausch in strategischen Bereichen erreichen, wie zum BeispielHalbleiterund die Beschaffung von Verteidigungsgütern, wodurch ein schrittweiser Kompromiss erzielt wurde; zweitens löste die Eskalation des Streits ein WTO-Schiedsverfahren aus, das sich jedoch aufgrund institutioneller Mängel in ein langwieriges Tauziehen verwandelte; drittens senkt Indien im Austausch für teilweise Zugeständnisse der Vereinigten Staaten die Zölle auf nicht zum Kerngeschäft gehörende Bereiche wie Luxusgüter und Solarmodule.
Veröffentlichungszeit: 14. Mai 2025
